Nachdem ich die Version 15.2 getestet habe, steht mittlerweile mit der Version 16 eine noch ausgereiftere Softwaregeneration zur Verfügung. Es scheint, man bedient sich hier von allen Ecken und Enden ringsumher und schafft eine schnelle, flexible und dennoch erwachsene Grundlage, die seinen eigenen Weg gehen möchte.

Technisch gesehen basiert es ja auf Ubuntu, in dem Fall die 20.04 LTS Version, kann sich allerdings nicht entscheiden welche App-Formate verwendet werden sollen. APT, Flatpak, Snap, .deb, AppImage und sogar .exe und .msi aus der Windows-Welt werden zumindest unterstützt. Linux Kernel ist bei Auslieferung der 5.11 aus Februar 2021, also zumindest recht aktuell. Das Testsystem hatte bereits Kernel 5.13 vom Juni 2021 am laufen.

Sehen wir uns also an, wie sich die neue Hauptversion schlägt – immerhin ist der letzte Test schon über ein Jahr her.

Installation

Hier bitte Hilfe anfordern wenn man nicht weiß was man tut, es funktioniert dafür verhältnismäßig leicht und schnell.

Start

Wenn man das System startet kommt man gleich mal in eine kleine Tour, was ich sehr nett finde. Man wird begrüßt und in das Wichtigste eingeführt. Sehr schön und lobenswert. Das ist teils aufwändig animiert und zumindest ein Touch, den anderen fehlt. Besonders für Neueinsteiger.

Das zweite was dann ansteht, vor allem nachdem das System schon etwas am Markt ist, sind Updates. hier muss man auch mit einem Neustart rechnen, aber das ist wohl den meisten bewusst und kein großes Problem.

Zorin OS 16
Welcome app in Zorin OS 16

Hier gibt es weder viel zu sagen noch zu meckern. Das System hält sich sehr zurück und liefert einen Windows-Artigen Anblick. Dabei bemerkt man an der Schriftart und an den Zeichen aber gleich, dass es sich wohl um kein Windows handelt. Öffnet man den Launcher wird sowieso klar, dass hier etwas sehr anders ist als im aktuellen Windows – denn der Launcher wirkt nicht gerade modern – was aber durchaus so gedacht ist.

Den Launcher kennen wir schon aus den vorhergehenden Versionen und er bringt auch in der dieser Version nicht viel neues, wurde aber etwas umgebaut. Praktisch sind der schnelle und einfache Überblick über Apps und Datenplätze, die Suche und die Buttons zum sperren, neu starten und herunterfahren. Unpraktisch: Das ganze lässt sich nicht mit der Windows-Taste öffnen. Da taucht plötzlich das Grundsystem auf – GNOME.

Weil man eben auf GNOME baut hat man in den Schnelleinstellungen und dem Kalender rechts unten alles was man so braucht, die Funktionen sind auch gegeben wie man es kennt – doch auch hier wiederholt sich das System selbst, indem wieder Menüs für sperren, Neustart und Herunterfahren angezeigt werden. Eben weil auf GNOME aufgebaut und dieses Menü wäre in GNOME die Schnelleinstellungen – die genauso übernommen wurden. Der Kalender und die Benachrichtigungen gefallen mir genauso und kommen mir bekannt vor – jedoch weil eben genauso aus GNOME übernommen.

Design

Was man bei dem Test öfter lesen wird ist, dass das System sich nicht recht entscheiden möchte und dem User somit die Wahl lässt. Auch beim Design ist das nicht viel anders, denn schon in der Grundversion von Zorin OS erhält man vier Varianten, wie das System aussehen kann. Und sagen wir mal so: Windows 10, Windows 7, Windows 11 und GNOME.

In Zorin OS Pro kommen noch weitere Varianten hinzu, die auch an MacOS erinnern. Ist also Geschmackssache.

Man darf sich hier nur leider nicht eine tiefgehende Veränderung des Systems erwarten, im Endeffekt stülpt man hier einfach verschiedene Designs über und das Grundsystem bleibt jedoch das Selbe.

Noch zu erwähnen ist aber eventuell noch die Akzentfarben, die ich noch immer gut finde als Personalisierung, sowie ein Light/Dark Mode, was ja recht beliebt ist. Der dunkle Modus sieht finde ich auch ganz gut aus, erinnert mich auch etwas an “futuristische” Systeme, wie man sie aus Filmen kennt. Der Wechsel kann entsprechend auch automatisch erfolgen nach Zeit oder Sonnenauf/untergang.

Apps

Während sich alle anderen Distributionen um die Distribution von Apps (ja, Wortwitz…) streiten, geht Zorin OS den pragmatischeren Weg. Ein Blick in das Software Center macht klar, dass wir hier mit PPA, Snaps und Flatpaks arbeiten dürfen. Scheinbar geht man nach dem Prinzip “Alles her damit”, Snaps werden gefühlt aber bevorzugt.

Dadurch ist die Auswahl auch recht groß und aktuell, wenn auch LibreOffice als Beispiel gleich viermal angezeigt wird. Das ist halt so ein typische Linux-Distro Problem. Nichts wird wirklich bevorzugt entwickelt oder verwendet. Snaps und Flatpaks sind beide vorhanden und keines scheint zu gewinnen. Also halt beides unterstützen.

Ein schneller Versucht mit OnlyOffice hat immerhin gezeigt – Flatpak brauchen wenige Sekunden zum öffnen. Snaps dann doch 10 Sekunden und mehr, zumindest beim ersten Mal. Wenn der Zeitunterschied nicht wäre, wäre mir das System dahinter auch herzlich egal – bis es soweit ist, verspielen Snaps einfach grundsätzlich noch weitere Chancen. Canonical will das noch in den Griff bekommen, mal sehen was daraus wird.

Für den normalen User ist aber hier klar – große Auswahl, aber oft doppelte Einträge die nur verwirren. Was komisch war im Test: eine leere Seite in OnlyOffice hat in Snap 900 Megabyte RAM und in Flatpak 1,2 Gigabyte RAM gebraucht. Das könnte mir mal wer erklären. Da musste ich noch etwas nachhaken.

Zorin OS 16
Teils deutliche Unterschiede bei Versionsnummern bei den Auslieferungsformaten (PPA vs Snap)

So installierte ich auch LibreOffice als Snap und als Flatpak. PPA war schon installiert. Hier haben alle drei jedoch mit 115 und 124 Megabyte, fast den selben RAM Verbrauch. Allerdings startete das Snap mit rund 9 Sekunden und Flatpak mit rund 5 Sekunden wieder deutlich langsamer. Somit dürfte zumindest OnlyOffice einfach ein RAM-Fresser sein. Aber nicht so schnell: ein paar Wochen später konnte im selben Test dann plötzlich um die 50 Megabyte pro Editor gemessen werden, ein “editors_helper” verbrauchte je 180 Megabyte. Hier war man mit Flatpak auf 7.0 und Snap auf 6.4.2. Also alles wieder im Rahmen.

Was ganz anderes sind dann doch die Programmversionen. GIMP, unser Photoshop-Ersatz, ist in der vorhanden Version aus PPA Basis mit 2.10.18 im Gegensatz zur Version 2.10.28 als Snap doch um einiges älter. Da liegen rund 1,5 Jahre dazwischen. Aber wiederum Achtung: Geht man im Store auf die GIMP Seite der Zorin OS PPA, kann man oben auch auf eine andere Quelle umschalten. Da bekommt man dann plötzlich das Flatpak in der aktuell neuesten Version 2.10.30. Da soll sich wer auskennen. Mein Wunsch wäre hier wirklich: Entscheidet euch doch einfach… Ein Programm, drei Versionen von aktuell, über älter bis alt.

LibreOffice war mit 7.2.5 noch sehr gut, die 7.3 ist beim Test erst ein paar Wochen alt. Aber auch hier ist das Snap bei einfach aktueller. Thunderbird lief auch als Snap ohne große Probleme und aktuell, Chrome musste sowieso von Hand installiert werden. Auch der Nextcloud Client war dieses Mal ein Snap, da muss man nur aufpassen wohin er die Daten synchronisiert, weil dies sonst in einem verschachtelten Snap-Ordner ist.

Alles in allem muss wohl eines klar sein: Natürlich nervt es, wenn man immer mal wieder auf Snaps warten muss, weil diese teils deutlich über 10 Sekunden brauchen um zu starten. Doch ist das nur nach einem Update oder beim ersten Start der Fall. Da die Versionen eben oft sehr viel aktueller sind, warte ich nach einem Update mal lieber 10 Sekunden auf den Programstart und habe dafür auch wirklich aktuelle Programme. Und wenn es Flatpak sind: auch gut. Hauptsache man entscheidet sich und vor allem integriert die Dinger besser im System. Damit meine ich die oft komplizierten Standard-Ordnerstrukturen und natürlich alle anderen Integrationen, damit sie wie normale Programme laufen.

Die Entwickler würden auch gut tun, sich nicht mit Programmversionen von Drittanbietern herumschlagen zu müssen. Da gibt es wichtigeres zu tun. Nur dumm, dass es wieder mal keinen Standard geben wird für Programmpakete. Leittragender ist dann wieder mal der normale User, der sowieso keine Ahnung hat was das bedeuten soll. Denn dieser sieht vier Programmversionen im Store und und macht dann das, was er gerade für richtig hält. Toller Standard.

Work

Wenn man eine Zeit mit dem System arbeitet und täglich hantiert und auch mit Tastenkombinationen arbeitet, dann kommt einem etwas zumindest etwas komisch vor. Denn auch wenn das System einen eigenen Look hat, so wird dies nur auf GNOME “aufgestülpt”. Das bedeutet in erster Linie, dass man immer mal wieder mit dem eigentlichen System agiert.

Wenn man die Super, oder Windows-Taste drückt, dann kommt man als Beispiel in die Aktivitäten. Die Aktivitäten aus GNOME sind eine Übersicht die einem die ganzen offenen Fenster auflistet, außerdem kann man hier auch mehrere Desktops verwalten.

Die Übersicht ist somit nichts schlimmes, ist aber eindeutig einfach aus GNOME übernommen. Immerhin ist das eine Funktion die vor allem auf kleinen Monitoren extrem hilfreich ist, oder wenn man wieder mal so viele Fenster offen hat, dass man einfach eine “Übersicht” braucht. Wer will kann auch mehrere Desktops nutzen, die sind hier vertikal orientiert.

Was aber insbesondere von GNOME kommt, ist die Suche. Denn hier kann man einfach zum tippen anfangen und schon geht die Suche nach Apps, Daten und Einstellungen los. Und da stößt man eben plötzlich auf die Apps-Übersicht, wie sie in GNOME auch angezeigt wird. Zwar nur eine Reihe, da es sich um die Suche handelt, aber dennoch vorhanden.

Verwirrender wird es als GNOME User, wenn man Super-Taste und A drückt. Denn dann startet einfach der GNOME Apps-Launcher und listet alle Apps des PCs auf. Also hat man zwar einen App-Launcher wie in Windows 7 Zeiten nachgebaut, aber sich nicht die Arbeit gemacht den original Launcher von GNOME zu deaktivieren. Oder wenigstens die Tastenkombination zu entfernen. Das ist etwas eigenartig. Denn so wirkt die Oberfläche etwas weniger “original”, und eher aufgesetzt. Noch dazu hatte ich öfters den Fehler, dass der App-Launcher aus GNOME einfach hinter den Aktivitäten stehen blieb. Wohl ein Fehler der aus dem Hybrid entstand. Etwas weiter unten mehr dazu.

Wenn man in Zorin Apperance die verschiedenen Layouts durchschaltet, dann versteht man, warum das wohl so ist. Denn es gibt auch noch den Modus, dass man sehr nahe an GNOME ist. Da wird der GNOME Launcher verwendet und gebaucht. Dennoch recht verwirrend, wenn man somit eigentlich keine wirklichen neuen Wege geht, sondern nur ein paar Abkürzungen verwendet, die das System anders nutzbar macht. Aber funktioniert ja immerhin. Layouts wurden weiter oben auch bereits beschrieben.

Zorin OS 16
Suche und Apps werden überlagert, wohl ein Fehler

Verwendet man Systeme eine Zeit, zeigen sich zwei Dinge: Wie gut das System zu verwenden ist, aber auch, wie sehr man andere Systeme gewohnt ist. Ob Windows oder Linux, ich starte vieles gerne mit einem Drücker auf die Windows-Taste bzw. die Super-Taste. Das geht natürlich auch hier, weil es auf GNOME basiert, aber wenn man dann etwas eingibt, wie als Beispiel “Writer” zum öffnen des LibreOffice Writer, dann zeigt sich aktuell ein eigenartiges Bild.

Hier hat sich wohl ein Fehler eingeschlichen der mir aber hängen geblieben ist, einfach weil man sich denkt: Entsteht dies nun durch die Mischung aus mehreren Systemen und Richtungen?

Wie so oft gibt es aber wenige Grundprobleme was das System sonst angeht. Wenn man sowieso meist in Chrome oder Thunderbird ist, bisschen Daten umher schiebt und in LibreOffice arbeitet. Das System hält sich soweit raus, doch das mit der Super-Taste nervt dann doch wieder, weil eben nicht das passiert was man glaubt. Denn es öffnet sich nicht (wie eben auch von Windows bekannt) der App-Launcher, sondern die Fensterübersicht. Was ich auch nicht schlimm finde, wäre da nicht extra ein eigens gebauter Launcher aus alten Windows Zeiten. Denn dann kann ich gleich direkt GNOME verwenden, denn diese Arbeitsweise ist weder untypisch, außerdem um einiges schneller als mit der Maus.

Und wenn man die Kombination für den App-Launcher aus GNOME kennt, dann öffnet sich auch nicht der (nachgebaute Windows) App-Launcher den man erwarten würde, sondern wiederum der aus GNOME. Was will ich also damit sagen? Das System der mehreren Wege steht einem da eher im Weg und wenn man schon Sachen überschreibt oder ersetzt, dann sollte man das auch durchziehen. Deaktiviert die Tastenkombination oder gleich komplette Teile – so verwirrt es momentan am ehesten. Auch der Taskswitcher mit Alt+Tab hat mir einmal zwei verschiedene Fenster angezeigt – wohl eines von Zorin OS, eines von GNOME. Auch das spricht einfach für Fehler.

Laptop

Überhaupt nicht funktioniert haben erweiterte Gesten am Touchpad. Zweifinger ja, alles darüber hinaus aber wie gesagt einfach nicht. Schade, denn die Gesten kennt man von anderen Systemen und vor allem am Laptop sind diese nach eine Eingewöhnung auch Gold wert. Ansich sollten diese auch unterstützt sein.

Windows-Apps

Immerhin konnte ich EXE Dateien aus Windows sofort öffnen, da gab es nicht viele Probleme. Meine Testdatei lief eigentlich auf anhieb und ohne weitere zutun.

Games

Etwas das beim letzten Test auf jeden Fall anders war, dass in Steam kein Proton Spiel mehr lief. Ich konnte zumindest einige native Spiele starten, aber jedes Windows-Spiel das eben Proton verwendet, öffnete sich nicht mal. Ein recht eigenartiges Verhalten, das so in den letzten Versionen nicht der Fall war. Auch hatte ich Fehlermeldungen beim Start von Steam – eine Neuinstallation wäre hier wohl angesagt. Zumindest mal von Steam.

Conclusio

Nachdem der letzte Test eigentlich überraschend gut ausgefallen war, bin ich mit der Version 16 doch etwas zweigeteilt. Ansich ist nichts schlecht, was man hier erhält. Doch hat es zum stören angefangen, dass man eben eigenartig oft auf das Grundsystem dahinter, auf GNOME, stößt. Auch wenn ich GNOME mag, so sollte es sich hier ja um ein anderes System handeln. Leider fühlt sich vieles dann doch wiederum sehr aufgestülpt an, was wiederum sehr schade ist. Denn allgemein ist das kein schlechter Weg den man hier geht, doch richtig umgesetzt ist es eben nicht.

Das kann viele Gründe haben. Womöglich sind die Entwickler schlichtweg überfordert von der vielen Arbeit – auf Zorin Grid warten wir nun auch schon seit August 2020. Womöglich sind diese umfangreichen Änderungen auch nicht komplett machbar, ohne noch mehr umzubauen. Oder ganz andere Gründe. Was auch immer der Fall ist, aktuell fühlt es sich für mich zu sehr künstlich zusammengebaut an. Das mag wohl für viele in Ordnung sein, wenn man als Beispiel Windows gewohnt ist und nur mit der Maus arbeitet. Da kann das auch ein schönes System sein! Für fortgeschrittene User, die auch mit dem Keyboard arbeiten, stellt sich die Frage: Wozu? Klar, man hat eine schöne Taskleiste mit altem Look und einen bekannten Launcher. Aber jeder Tastendruck geht Richtung GNOME.

Es kann sein – und ist teils offensichtlich – das manches von dem was ich erfahren habe aus Fehlern herrührt. Überlappende Elemente die sich sicherlich nicht überlappen sollen waren immer wieder der Fall. Aber so ist das halt nichts. Entweder man sucht einen Weg um das System wirklich einzunehmen – und deaktiviert alles was mit GNOME zu tun hat – oder man nähert sich an GNOME an. Oder wechselt einfach die Basis, wenn GNOME sich zu schnell bewegt. Alles sicherlich viel Arbeit. Der Mischmasch gefällt momentan aber leider nur oberflächlich und kann somit nur für Einsteiger und einfache User empfohlen werden – obwohl diese auch von etwaigen Irrwegen im System, allgemein vielen Auswahlmöglichkeiten und vielen Programmpaketen im Store verwirrt werden könnten.

Noch erwähnt sollte werden, dass es auch eine Pro-Version gibt, diese kostet aktuell 39 €, bietet mehr Desktop Layouts und kommt mit mehr vorinstallierten Programmen, sowie Funktionen zum teilen der Maus auf mehrere Geräte, Stift-Unterstützung und Desktop-Übertragen. Eine Lite Version ist für ältere Computer vorgesehen und verfügbar.

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