Eine Distribution die seit Jahren in den Top 10 der Distro-Verteilung auftaucht und beim Test vor allem eines ist – Traditionell. Was das beutet, will ich hier erklären.
Die aktuelle Version “Ulyana” baut auch auf Ubuntu auf und grenzt sich vor allem durch ein eigenes Aussehen ab. Eine dunkle Leiste am Boden, ein komplett anderes Startmenü – und sogar eigene Icons. Die getestete Version ist mit dem Cinnamon Desktop, dieser gilt als Hauptdesktop von Mint, auch wenn man wieder mal auf gesamt drei Oberflächen zurückgreifen könnte.
Das ganze erinnert etwas an eine alternative Windows Version aus den Anfängen des Jahrtausends, was womöglich an der Verbreitung entsprechend beiträgt.
Wie so oft ist die Installation kein großes Problem wenn man weiß was man tut, Laien werden sich wie immer schwer tun. Downloaden, USB erstellen, installieren… Tutorials oder Freunde/Bekannte helfen, dann geht’s auch schneller.
Der Loginscreen kommt sehr dunkel daher, ist aber offensichtlich von GNOME entnommen und in einer etwas älteren Version vorhanden. Passwort eingeben, Enter drücken.
Als erste Begrüßung gibt es eine App mit einer Einleitung, was sehr löblich ist. Doch das musste warten, das meine Maus nicht funktionierte. Das Touchpad reagierte auf keine Eingabe, also Neustart über die Tastatur. Dann ging soweit alles.
Der erste Blick auf den Desktop ist für mich etwas ernüchtern, da man die Grundausrichtung sofort spürt. Hier handelt es sich nicht um eine Distro die modern und mit neuen Ideen daher kommt, sondern sich wohl auf die Leute konzentriert, die gerne Sachen belassen, wo und wie sie sind. Das betrifft auch das Design und die Funktionen im großen Rahmen.
Was mir sehr gut gefallen hat war, dass man bereits in der Startphase, also mit Hilfe der “Willkommen” App, eine eigene Akzentfarbe einstellen kann. Das finde ich sehr schön, was eben die Personalisierung angeht. Auch kann man sich das Layout des Panels unten aussuchen – die Alternative zu den reinen Icons ist ein Windows XP abklatsch, auf das ich gerne verzichten kann.
In der Systemsteuerung gibt es unter Themes die Möglichkeit, sein System umfangreich an eigene Design-Bedürfnisse anzupassen. Und das würde ich auch empfehlen, da man hier tatsächlich das Standard-Design merkbar übertreffen kann. Spaß macht es auch. Persönlich ist mir das gelieferte Design auch zu altbacken. Ich finde man darf im Jahre 2020 sich auch merkbar von einem knapp 20 Jahre alten System abheben, weil sich manches eben auch weiterentwickelt hat.
So kann man aus dem dunklen Panel auch ein helles machen, Fenster anpassen und Farben vergeben. Das ist wie gesagt löblich, natürlich macht es als Beispiel den Launcher auch nicht moderner – das gibt das Grunddesign dessen und auch die Ausrichtung des Gesamtsystems nicht her.
Weiters bin ich persönlich kein großer Freund davon, dass man Icons komplett austauscht. Ein Thunderbird Logo als Beispiel ist ein Brief auf blauen Hintergrund, doch geht so die schnelle Orientierung verloren, welches Programm dahinter steht. Das hat sicherlich den Sinn eines gleichen Icondesigns über das ganze System, kann aber auch bedeuten, dass der Desktop nicht in der Lage ist, mit den original Icons so umzugehen, dass diese ins System integriert werden. Wie mit einer einheitlichen Umrandung oder ähnliches. Allgemein reihen sich die Icons nur ungefähr in ein Gesamtdesign ein.
Gesamt kann man sagen, dass das Design schon recht angestaubt ist, wenn auch funktional und anpassbar. Man muss aber ein Freund dieser Ausrichtung sein.
Die Sammlung ragt nicht groß aus anderen Distributionen hervor, LibreOffice, Thunderbird und Firefox. Terminal, Chatprogramme, Musikverwaltung und Videoplayer. Alles soweit vorhanden und noch mehr.
Im Software Manager kann man wiederum alles mögliche downloaden. Manche Apps und Programme sind doppelt vorhanden, da es sich teils um Flatpacks handelt. Auch hier herrscht Unübersichtlichkeit was die Distribution von Software angeht. Snaps wurden hingegen gänzlich entfernt – wohl aus dem Grund, weshalb das Problem mit doppelten Apps eigentlich lösen sollte: Da alles von Canonical ausgeliefert werden sollte, von einem Ort in einer Version. Das bedeutet proprietäre Software am Canonical Server und das gefällt vielen nicht. Auch wenn der Wartungsaufwand für einzelne Distributionen viel kleiner ausfallen könnte, was aber auch bei Flatpacks der Fall sein sollte.
Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten, da es – Linux Desktop typisch – fast eh wieder um die selben Apps handelt. Soweit ich sehe ist aber die Softwarebasis nicht immer gänzlich “up-to-date”, aber absolut im Rahmen und andere machen das auch kaum besser.
Wie bei den meisten Distributionen ist der Arbeitsalltag auch hier ohne weiteres bestreitbar. Auch Chrome und Thunderbird sind lauffähig, nur Nextcloud macht Probleme. Wobei nicht direkt, denn ansich ist alles richtig, aber der Client startet nicht automatisch. Das nervt schonmal, wenn man diesen immer von Hand starten muss. Obwohl er in den Autostart-Programmen auftaucht. Aber weder ich, noch der normale User, haben Lust dem Problem auf den Grund zu gehen. Sowas sollte eben einfach funktionieren.
Der Launcher ist wie bereits erwähnt etwas altbacken, funktioniert dafür wie erwartet. Auch ist eine Suche direkt eingebaut – hier findet man allerdings nur Programme und Apps. Wer es gewohnt ist eine allgemeine Suche zu haben, wird enttäuscht. Hier bleibt man bei alten Zöpfen, was mich in der Arbeit leider etwas einschränkt, da man für Dateisuche wiederum erst in den Datei Browser muss, dann den Suchen-Button klicken und dann kann man suchen. Zumindest die zuletzt geöffneten Dateien scheinen im Launcher auf.
Auch gibt es als Beispiel keine Übersicht für offene Programme, wie man es von Ubuntu bzw. GNOME kennt. Alt+Tab geht natürlich, wie eben seit Jahrzehnten gewohnt.
Was auch auffällt, dass beim Klick auf das Bluetooth Icon im Panel, ein eigenes Fenster aufgeht. Beim WLAN klappt nur ein Menü hoch. Das wirkt etwas inkonsistent. Der Kalender im Panel lässt sich höchstens als “sporadisch” bezeichnen. Anzeigen ja, ansonsten keinerlei Funktionen oder Terminanzeigen. Finde ich etwas schwach, da man im typischen Arbeitsleben doch viel damit arbeitet. Immerhin gibt es die Kalender App, muss diese aber natürlich separiert öffnen.
Der Software Manager ist in Ordnung, aber auch nichts besonderes. Reiht sich auch in die “genug” Kategorie ein. Das gilt auch für die meisten Apps und Programme, Komfortfunktionen, die man von anderen Oberflächen gewohnt ist, gibt es oft gar nicht.
Immerhin konnte ich im Dateibrowser direkt FTP Daten öffnen und bearbeiten, das geht mir bei anderen Distributionen zunehmend ab. Auch wenn Server mal wieder wie USB-Sticks behandelt werden. Das Mount System ist auch hier eine unlogische Eigenart der Linux Welt.
Ansonsten lässt sich alles soweit bewältigen. Emails, surfen, Daten und auch etwas Multimedia. Musik und Videos starten im selben Player, was jetzt zumindest nicht ganz elegant gelöst ist – bei Audiodateien könnte man den Videobereich ausblenden.
Der technische und etwas “retro-nerdige” Ansatz findet für mich in den Sounds den Höhepunkt. Wenn man die Lautstärke hoch dreht und das entsprechende Indikator-Geräusch ertönt, läuft es mir tatsächlich kalt den Rücken hinunter. Persönlich möchte ich nicht ständig ein digital gezerrtes Glas-Blub hören, das wirklich nervig wird mit der Zeit.
Einen kompletten Freeze hatte ich, als die die Fonts-App hatte, ansonsten nur kleinere Glitches oder Bildfehler. Nur das Vollbild-Terminal war hin und wieder beim Booten oder Einloggen zu sehen.
Wie von vielen Distributionen bekannt, ist das Window-Tiling auch hier gut umgesetzt und kann eine Bildschirmhälfte, sowohl nur ein Viertel einnehmen. Auch eine Horizontale-Hälfte ist dabei möglich, was bei hochstehenden Displays sehr angenehm ist.
Wie immer gibt es einen kurzen Start von Steam und einigen Spielen. Anno 1404 läuft wiedermal nicht ohne fummeln, Banished dafür mit einfacher Aktivierung von Steam Play und Proton. Kurz gesagt: wie immer. Steam macht da keinen großen Unterschied zwischen Distributionen. Vorinstallierte Spiele gibt es soweit nicht, im Store sind die üblichen Verdächtigen aber verfügbar. Gefühlt wird beim System aber kein Wert auf Spiele gelegt.
Linux Mint hinterlässt einen gespaltenen Eindruck. Man merkt sofort, dass es sich hier um einen Linux Desktop handelt, der sich nicht an Anfänger richtet.
Das unaufregende und sporadische Design und die Grundfunktionen – alles lässt sich verwenden und benutzen wie vor zwei Jahrzehnten. Es gibt kaum Komfortfunktionen oder Hilfen, an die man sich bei anderen Distributionen gewöhnt hat. Auch das Design spielt in diese Ecke, es ist funktional und eher technisch. Auch etwas inkonsistent, was mein Gefühl angeht. Auch die Sounds sind wie erwähnt eher, naja, Geschmackssache.
Für Einsteiger kann man da keine Empfehlung aussprechen, das will Linux Mint wohl auch nicht. Umsteiger sind womöglich aber gut bedient. Dafür ist es schnell und für viele wohl ein perfekter Windows-Ersatz, wenn man keine Lust hat, sich etwas neues anzulernen. Auch denke ich, dass das System performant genug ist, um auch auf alten PCs zu laufen. Dafür gibt es dann zusätzlich die Xfce Version, die mit noch weniger Ressourcen auskommt – hier sind aber meistens die verwendeten Apps das Problem, was Performance angeht. Denn keiner braucht nur einen schnellen Desktop.
Wer ein solches System sucht, ist hier gut aufgehoben. Mir persönlich ist das, auf das Heute bezogen, zu wenig. Doch gibt es scheinbar viele, die genau das schätzen. Ein schicker, hilfreicher und moderner Linux Desktop, ist aber was anderes.