Seit Jahren bereits etabliert sich Elemenary OS am Linux Desktop Markt und ist dabei sehr erfolgreich. Wir haben das System installiert, damit gearbeitet, gelebt und geprüft – um eine repräsentative Meinung abgeben zu können.
Die Version 5.1 wurde mittlerweile auf 5.1.2 gehoben, da gibt es einen neuen Kernel und bessere Hardwareunterstützung. Der Desktop Pantheon wird auch mit jedem Update poliert und neue Funktionen finden einzug.
Alles in allem ein System, das sehr an frühere Versionen von macOS erinnert und auf das Wesentliche beschränkt ist. Wie schlägt sich das System also im Alltag?
Wie so oft ist die Installation kein großes Problem wenn man weiß was man tut, für Laien scheitert es hier auch bei Elementary OS. Downloaden, USB erstellen, installieren… Tutorials oder Freunde/Bekannte helfen, dann geht’s auch schneller.
Das System zeigt kurz das eigene Logo an, dann ist man auch schon im Login-Screen. Dieser wirkt gleich recht schmuck und funktional, man kann hier auch mehrere Nutzer angezeigt bekommen und mit der Eingabe des Passworts ist man schon am Desktop. Soweit, so gut.
Der leere Desktop lädt ein, um geich mit dem Arbeiten und Umsehen anzufangen. Das Verbinden mit dem WLAN geht relativ einfach, auch wenn sich dazu ein eigenes Fenster öffnen muss.
Vieles ist selbsterklärend – man hat links oben den Launcher für Programme und Apps, mittig oben die Uhrzeit und das Datum mit sich öffnendem Kalender und rechts oben verschiedene Einstellungen und Benachrichtigungen. Diese sind in die Kategorien geteilt. So kann man als Beispiel am Laptop das Batterie Icon anklicken und neben der Helligkeit und der voraussichtlichen bleibenden Nutzungszeit, kann man einfach mal so die Akku-Lade-Prozent einschalten. Kein langes Suchen oder Zusatzprogramm nötig.
Die Benachrichtigungszentrale ist ganz okay, füllt sich aber auch schnell. Man kann diese dann mit einem Knopfdruck leeren, dieser ist visuell aber gar nicht von den restlichen Menüeinträgen unterscheidbar. Da wäre etwas Abtrennung hilfreich, da ich das jedes mal suchen muss.
Im Power-Menü finde ich es schön, dass dort mein Name und mein Bildchen ganz oben sind. Das ignorieren viele Distributionen, dass der User ja eigentlich wichtiger sein sollte als das System. Was mir aber fehlt, ist dort ein Eintrag, um direkt in die Einstellungen zu springen. Immerhin sind die Einträge zum Herunterfahren und Neustarten usw. nicht nochmals verschachtelt, wie in der aktuellen GNOME Version 3.36.
Die womöglich größte Eigenheit des Desktops ist aber das Dock an der Unterseite. Das ist beinahe 1:1 abgekupfert vom großen Konkurrenten und das ist womöglich gar nicht so schlecht. Immerhin ist es funktional, recht hübsch und bietet auch Funktionen wie click-to-minimize, also kann man die aktuelle App mit einem Klick darauf verstecken. Nur wenn mehrere Fenster eines Programmes offen sind, was beim browsen öfter passieren kann, da werden zwar zwei Pünktchen angezeigt, doch nur mit einem Rechtsklick kann man da zwischen den Fenstern wählen. Da hilft zumindest die Multitasking-Übersicht (wenn man weiß wie).
Man hat sich hier allgemein sehr bemüht ein System zu schaffen, das aus einem Guss daher kommt. Ich finde, das wurde auch zu einem Teil erfüllt, doch natürlich ist die enge Bekanntschaft zu älteren macOS Versionen nicht bestreitbar. Womöglich macht das nichts, denn immerhin hat das auch für Apple gut funktioniert. Doch muss man sagen, wirkt das Design mittlerweile auch etwas altbacken.
Das kann natürlich auch an der Plattform liegen, denn am Linux Desktop sind Sachen wie Transparenz und Blur oft schwieriger umzusetzen – letzeres teils gar nicht. Andererseits ist es auch gut, dass man hier eigene Wege geht, denn wozu noch eine Distribution die nur etwas am Design anpasst und mit anderen Icons so tut, als ob es was ganz neues wäre?
Somit kann ich sagen, dass das Design allgemein gefällt, da es zwar etwas überholt wirkt, aber in sich eine praktische und minimalistische Linie hat, die vielen gefallen dürfte. Nichts ist überladen, das meiste dort, wo man es sich erwartet. Und genau diese erkennbare Linie dürfte sich so positiv von anderen Distributionen abheben. So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. Und Funktionen und Verbesserungen kommen nach und nach per Update, diese sind oft auch noch sehr willkommen – bis das System wirklich rund wirkt.
Es gibt auch eine eigene Designlinie für Apps, weiters hat die Designlinie bereits andere Softwareprojekte beeinflusst – sei es vom Design, oder von den Icons.
Elementary OS will ganz offensichtlich einen eigenen Weg gehen, das merkt man auch bei der Programmauswahl. Es sind von Haus aus nur gerade die notwendigsten Programme und Apps installiert, mehr gibt es über den AppStore. Im Anwendungsmenü finden sich eine Hand voll Apps, die am tiefsten eingreifende, ist das Terminal. Sonst gibt es Epihany als Browser, Geary als Emailprogramm, Code für Programmieraufgaben, einen Dateibrowser, Kalender, Music, Videos und Photos, sowie Screenshots und natürlich die Systemeinstellungen.
Da das System in sich etwas geschlossen wirkt, ist es auch etwas komplizierter Programm zu installieren, die nicht im Store sind. Man muss als Beispiel wissen, dass man einmal eine App per Flatpak installieren muss, damit diese im AppStore permanent eingebunden werden. Was das bedeutet? Dass man erstmal im Browser auf https://flathub.org/ eine App suchen und installieren muss, damit man das System dahinter freischaltet. Das wirkt etwas komisch, wenn man eigentlich so einfach wie möglich sein möchte.
Immerhin kann ich per Flatpak endlich LibreOffice installieren und frage mich, wieso nicht mal ein einfach Schreibprogramm vorhanden ist. Immerhin sind die Flatpak Versionen auch aktuell, was ein Schwachpunkt in der Vergangenheit war. Immer wieder nervig sind die verschiedenen Versionen im Store. Man sucht als Beispiel Scribus, findet zwei beinahe gleiche Einträge – eines davon wohl Flatpak. Ob es Flatpak ist, ist aber nicht ersichtlich. Nur, dass eines knapp über 30, dass andere bis zu 780 Megabyte haben soll.
Geary ist als Emailprogramm ganz gut für den einfachen Hausgebrauch, er zeigt mir auch brav an, wenn ein Mail kommt, doch leider lässt er sich nicht immer öffnen. Thunderbird hilft mir da sowieso und auch Google Chrome schaffe ich zu installieren, wenn auch mit etwas Aufwand und Wissen. Chromium wäre möglich, meist sind damit aber vor allem Videostreaming-Dienste nicht möglich.
Irgendwie hatte ich auch nie Glück dabei, mich bei meinem Google Kalender anzumelden. Spätestens bei der Passwortabfrage war es schon wieder vorbei. Womöglich habe ich da auch was falsch gemacht.
Die Photos App gefällt mir ganz gut, auch wenn beim ersten Import das ganze Programm in Superzeitlupe läuft, bis jedes Foto erkannt wurde. Immerhin hat man eine gute Übersicht und die wichtigsten Bearbeitungsmöglichkeiten – was in GNOME zur Zeit nicht der Fall ist.
Weiters war es etwas aufwändiger, WINE zum laufen zu bekommen. Mit einer externen Anleitung habe ich schließlich alles soweit installiert, dass ich ein kleines, aber benötigtest Windows EXE File zum laufen bekommen habe, doch die USB Unterstützung für ein Infrarot-Device war nicht gegeben. Das war in Ubuntu anders und zwang mich aus Notwenigkeit zu einem Dualboot. Schade.
Nachdem ich das System also Wochen am Laptop genutzt habe, sind mir natürlich einige Eigenheiten aufgefallen, an denen man sich stören kann, oder eben einfach so hinnimmt.
Allen voran war mal wieder das Handling mit Touchpad und Tastenkürzel, was auf einem Laptop für mich sehr wichtig ist, da man nicht ständig mit der Maus in einen Hot-Corner fahren möchte. Gewohnt von Ubuntu, drückt man also gleich mal die Windows bzw. Super-Taste, und erhält dann eine Liste mit den Tastaturkürzel. Das ist zwar löblich, doch der Zustand, dass man für den Multitasking View, also die Programmübersicht, immer zwei Hände braucht (Super+Pfeil nach unten) ist leider furchtbar. Eine so wichtige Taste wird auf “erklären” reduziert. Und bei vielen Laptops ist die Pfeil nach unten Taste auch nicht gerade gut gelegen oder groß. Das geht bei GNOME schneller, auch, weil man in dem Fall auch sofort tippen und suchen kann.
Immerhin hat mich der Bildschirm Zoom Modus überrascht, auch wenn man ihn wohl nicht ständig brauchen wird.
Touchpad Support ist wie so oft einfach nicht komplett vorhanden, zwei Finger sind das Maximum und das Arbeiten am Laptop im Gegensatz zu großen Betriebssystem somit um einiges lahmer. Vielleicht dauert es noch einige Jahre, dann braucht man sich womöglich nicht mehr darum zu kümmern, wenn alles mit Touchscreen funktioniert. Falls dieser dann unterstützt wird.
Das Fenstermanagement ist in Ordnung, der Close Button auf der linken Seite natürlich zum gewöhnen. Maximieren Buttons sind dann wiederum rechts. Okay. Geary hatte nur nicht immer gestartet, der Videoplayer hat sich bei einer MP4 aufgehängt als ich in der Timeline gesprungen bin und bei meiner Arbeitsweise geht mir der Minimieren-Button öfter ab, wie wenn man als Beispiel Musik spielt und diese dann einfach nach unten schieben möchte, in den Hintergrund quasi. Immerhin geht das mit einem Klick auf das Icon in der Leiste unten. Das ist bei kleineren Displays eben oft notwendig.
Sehr nervig war jedoch, dass das System irgendwie keine Hintergrundprogramme wie den Nextcloud Client handhaben kann. Der startet beim Systemstart als Fenster und wenn man ihn schließt ist er wohl noch im Hintergrund offen, aber es fehlt eben das Icon an dem man den Status erkennt. Oder mit dem man interagiert. Das braucht wohl noch Arbeit, denn das ist auch nichts Ungewöhnliches oder Neues.
Weiters muss noch erwähnt werden, dass der Dateibrowser etwas gewöhnungsbedürftig ist. Das Prinzip “ein Klick und die Datei öffnet sich” nervt als Umsteiger doch, vor allem, weil mehrere Dateien handhaben wiederum eher komplizierter wird. Denn das lässt sich am einfachsten mit der Tastatur (Shift oder Strg) machen, was wiederum gegen das “so einfach wie möglich” System geht.
Netzwerkordner und FTP kann man ohne weiteres verbinden, auch Bookmarks von Ordnern setzten, nach einem Neustart kann man zumindest mit einem Klick auf das Bookmark wieder auf den Netzwerkordner zugreifen, vom Share selbst – indem eben die Ordner liegen – konnte ich keinen Bookmark machen. Das könnte das Arbeiten im Netzwerk erschweren, auch, weil wiedermal kein automount vorhanden ist. Auch hier werden Netzwerkordner wie USB Sticks behandelt. Nicht gut. Bitte, kann das mal wer verbessern?
Ansonsten hat das System auch soweit gut funktioniert, Updates gab es fast täglich, das Erwachen aus dem Standby ging immer gut, auch wenn man etwas Terminal hin und wieder zu sehen bekam.
Ein zum Teil auch wichtiger Punkt, die Spiele, ist auch in Elementary OS vorhanden und Steam ist natürlich auch verfügbar und vergleichbar mit den meisten Distributionen – hier basiert man ja auch auf Ubuntu. Eine Runde Counter-Strike: Source geht sogar am Laptop von 2015 mit Intel Pro Iris geschmeidig von der Hand, mein stets dabei “Anno 1404” läuft aber wiederum nicht ohne Handanlegen. Ist eben ein allgemeines Problem und wird hoffentlich irgendwann mal in Proton gefixt. Da hat sich sogar der Desktop verabschiedet, als das Spiel eingefrohren war und als ich in die Fensterübersicht gegangen bin – was nur mit einem Reboot über das Terminal lösbar war.
Spiele aus dem Store werden etwas verwirrender, wenn man den Flathub Store angehängt hat, da vieles doppelt ist, es gibt aber von Sudoku bis Super-Tux alles mögliche. Sogar 0 AD, eine art “Age of Empires”, ist gratis verfügbar. Leider gehen hier auch die Qualitäten weit auseinander – wie allgemein bei den freien Spielen am Linux Desktop.
Insgesamt ist Elementary OS ein recht rundes System, das viel Potential hat. Aber eben auch Potential, sich zu verbessern. Das bedeutet nicht, dass es nicht nutzbar wäre, sondern einfach, dass an manchen Ecken und Kanten noch gefeilt werden, oder manches eventuell neu, oder umgedacht werden muss, um noch stärker eine Linie und einen Guss zu ergeben.
Mittlerweile sieht das System etwas “älter” aus, manches funktioniert zu rudimentär, oder noch nicht “einfach” genug – vor allem im Alltag. Doch ist es gesamt ein sehr brauchbares und gut nutzbares System, das sehr aktiv weiterentwickelt wird und vor allem im einfachen User seine Zielgruppe finden könnte. Ob das nun alte Mac’s sind, die keinen Support mehr haben, oder Laptops, die mit Windows Probleme machen – oder auch das Hauptsystem zuhause, weil man keinen Bedarf an anderen Apps und Programmen hat.
Für den normalen Alltag mit Mails, Browsen und vor allem auch Fotos, ist das System gut geeignet. Der Fotomanager und die Fotovorschau gefallen mir, auch, weil man die wichtigsten Bearbeitungsfunktionen sofort bei der Hand hat. Fotos spielen nunmal eine wichtige Rolle für viel – und sind oft tonnenweise vorhanden, abseits der Cloud.
Beim installieren von Software war noch etwas Handanlegen und Know-How gefragt, ist alles eingerichtet, läuft es aber zum Glück rund. Bei einem Freund seit über 3 Jahren. Version 6 steht in den nächsten Monaten an und ich hoffe, dass das System weiter wächst und gedeiht. Denn immerhin versucht man hier auch eine gewisse Standardisierung zu erreichen, was dem Linux Dschungel auch gut tun kann.