Immer mal wieder kommt es auch in der Welt von Betriebssystemen zu umfangreichen Änderungen. Nachdem Paketsysteme wie Flatpak Salonfähig geworden sind und gut funktionieren, will man nun einen Schritt weiter gehen. Denn wenn die gesamten Apps und Programme in einem Container sind, die Benutzerdaten wiederum separiert – dann hat man das Betriebssystem sozusagen freigespielt.

Genau da setzt Vanilla OS an, wie übrigens auch Fedora Silverblue und andere. Denn im Grunde bekommt man von den Entwicklern immer den genau gleichen Stand auf den eigenen PC wie von ihnen vorgegeben. Im Umkehrschuss bedeutet das, dass man das Grundsystem auch nicht einfach verändern kann – denn das wird immer nur als lesend eingehängt. Für den normalen User ist das aber eigentlich ideal: Denn das System ist damit stabil, wartungsarm, und sicherer. Und “Vanilla” bedeutet in der Softwarewelt auch sowas wie: ursprünglich, nicht angepasst. Also darf man kaum eigene Veränderungen erwarten.

Interessiert?

Dann sind Sie nicht alleine, denn das System ist heute bereits auf Platz 18 bei Distro Watch und könnte wenig Mühe haben, sich vor das schwächelnde Elementary OS (15) zu setzen.

Installation

Die Installation läuft wie oft okay, doch die Auswahl mit den Sprachen nervt etwas. Das muss man etwas oft machen. Zumindest kann man aber auch direkt das System verschlüsseln lassen, auch wenn das etwas anstrengend ist, dass man das Passwort bei jedem Start eingeben muss. Wird als Sicherheit aber gemacht, denn: Was bringt ein toll sicheres System, wenn man die SSD einfach ausbauen und die Daten darauf direkt lesen kann?

Start

Wie immer startet das System, man gibt alles Weitere ein und man ist im Grunde “ready to go”.

Was hier aber anders ist, dass man beim ersten Start noch auswählen kann, welche Programme man gerne installiert haben möchte. Das passiert dann wie gewünscht und ist ein guter Start. Damit werden auch direkt aktuelle Versionen geladen und weniger muss mitgeliefert werden.

Gnome 46 - bis auf den Datei Explorer, der noch 45 ist

Man erhält übrigens pures GNOME und soweit man erkennen kann, kaum Anpassungen. Das ist aber ganz gut wie ich finde, denn weniger Anpassungen sind auch weniger Wartungen und damit schnellere Updates und weniger Probleme. Hoffen wir zumindest mal.

Design

Vom Design her ist es GNOME, gerade mal das Hintergrundbild ist eine eigene Kreation. Sonst? Stylisch wie immer, denn GNOME verfolgt Ansätze die funktionieren, ob man sie mag oder nicht.

Das System selbst bietet da keinerlei wirkliche Änderungen – was beim Namen “Vanilla” auch nicht verwundern sollte. Ich warte bei GNOME 47 noch auf die Akzentfarben, dann hat man zumindest etwas Personalisierung.

Apps

Grundsätzliche Apps sind wie immer dabei, GNOME 46 als Basis liefert da das Wichtigste bereits mit. Nicht ganz verständlich war allerdings, dass als Beispiel der Datei-Explorer noch in Version 45 vorliegt. Vielleicht kommt da noch ein Update. Dazu gesellen sich aber auch der Tonaufzeichner, sowie die Fotos App & Videos, die auch schon etwas älter sind.

Als Installationsformat der Wahl kommt wie so oft Flatpak zum Spiel und soweit funktioniert das alles wie man es gewohnt ist und man sich das wünscht. Bisher konnte ich keine Eigenheiten auftun, alles funktioniert so weit. Platzmangel ist bei einem modernden System hoffentlich durch die größeren Apps weniger ein Problem. Zumindest bei mir, denn 1 TB ist mehr als genug für alles.

Software Center für weitere Apps

Work

Der Alltag hatte es diesmal in sich.
Warum? Weil eigentlich nichts was passiert ist. Tatsächlich nämlich. Zumindest was Systemupdates angeht.

Ich habe das System so gut wie nicht gespürt, erst beim nächsten Neustart wechselte der PC auf die andere Partition und damit waren irgendwelche Updates installiert. Welche? Keine Ahnung. Ist das so wichtig? Wohl eh nicht. Aber man muss sich daran gewöhnen, dass man hier plötzlich nichts mehr zu tun hat. Grundsätzlich sollte das System einmal in der Woche (voreingestellt und änderbar) nach Updates suchen und diese installieren, wenn der User gerade möglichst wenig macht. “Intelligente Aktualisierungen” nennt man das und das Konzept dürfte sowas sein wie: “Wie können wir das genaue Gegenteil von Windows Update sein das nervt und immer im falschen Moment neu startet oder den PC sogar ungefragt neu startet und alles schließt?” Super Ansatz meiner Meinung nach vom Vanilla OS Team. Updates brauchen durch den Ansatz auch etwas mehr Aufwand möchte man meinen, wie gesagt hatte ich aber nie gemerkt, wenn was installiert wurde. Wenn das Konzept aufgeht und problemlos funktioniert und genug Sicherheit bietet mit wöchentlichen Updates, dann ist man hier anderen Systemen wirklich weit voraus.

Updates für Apps und Programme aus dem Software Center findet man übrigens auch dort – komplett separiert vom System. Also etwas, was auch ein normaler User hinbekommen könnte.

Weiter im Alltag:
Wie immer war Thunderbird, Chrome, Nextcloud und LibreOffice mein Standardpaket. Dank Flatpak alles aktuell und auch gleich installiert aus dem Software Center. Nur ein Unterschied zu manchen anderen: Man muss plötzlich nicht immer das Passwort beim Installieren eingeben, da man sowieso nur als User unterwegs ist. Keine Adminrechte notwendig.

Fotos werden in der Vorschau angezeigt, Videos und PDF leider nicht

Soweit so gut – musste ich dennoch die Erweiterungen für GNOME installieren die da heißen: “Dash to Dock” und den tollen Namen “AppIndicator and KStatusNotifierItem Support”. Zweiter wird womöglich bald von einer GNOME eigenen Erweiterung ersetzt. Beides kann man über den “Erweiterungs-Manager” installieren und verwalten. Dann hab ich meine Leiste unten mit meinen wichtigsten Apps und vor allem weniger Mauswege und ein einfach besser nutzbares System als mit dem GNOME Grundkonzept. Die Icons rechts oben sind leider nach wie vor wichtig, auch wenn man das bei GNOME wiederum lange Zeit anders gesehen hat.

Nervig wie immer: GNOME öffnet jedes Fenster immerzu links oben. Das macht keinen Spaß auf einem 32 Zoll Monitor, kann ich euch verraten. Und verbraucht immerzu unnötig Zeit, wenn man Fenster ständig verschieben und skalieren darf. Geht das nicht besser?

Und ich vermisse den “minimieren” Knopf bei den Fenstern. Dadurch sieht alles noch unordentlicher aus, weil man sich nicht immer die Mühe macht Fenster zu minimieren. Ist das die Lösung? Naja…

Auch etwas irritierend war, dass es gar nicht so einfach war, den noch freien Festplattenplatz herauszufinden. In der App “Festplattenanalyse” bekommt man alles aufgelistet, aber nichts steht hier vom freien Platz. Glücklicherweise rechts klickt man einfach irgendwo, wie dem Download-Ordner, ins Leere und geht auf Eigenschaften, da findet man dann auch ein freien Speicher.

Auch nicht gänzlich klar: Brave liegt bei mir als zweiter Browser im Dock, da ich je nach Tätigkeit auch Websitentests und Suchmaschinen abseits Chrome und Google brauche. Klickt man also direkt am Dock mit der rechten Maustaste auf Brave und will direkt in den inkognito Modus, passiert einfach mal nichts. Und das für 2 Minuten. Dann geht er doch noch auf. Aber ein einfacher Klick auf Brave öffnet ihn sofort.

Auch wiederum nervig: Wenn man wie ich als Beispiel Superlist verwendet, dann kann man dies als WebApp installieren. Das heißt nein, es geht eigentlich nicht. Denn scheinbar ist hier die Kombination von Chrome und Flatpak so, dass verschiedene Berechtigungen nicht gesetzt sind. In Flatseal, eine App die beiliegt, kann man unter Google Chrome dann unter “Filesystem” Zeilen hinzufügen, damit das geht. Nicht gut, aber reparierbar und hoffentlich bald nicht mehr notwendig. Unter “Andere Dateien” also hinzufügen:
“~/.local/share/icons” und “~/.local/share/applications” (Ohne Anführungszeichen natürlich).

Multimedia

Grundsätzlich ist das Thema Multimedia ganz Okay. Aber: Dort wo man für Bilder eine Vorschau hat, hat man für Videos: das immer gleiche Icon. Also doch etwas schwerer, das richtige Video zu finden oder visuell zu suchen. Dasselbe übrigens auch bei PDF.

Immerhin öffneten alle Formate so weit, auch PDFs.

Traurig wie immer. Davinci Resolve ist einfach nicht zu installieren. Das ist ja scheinbar eine AppImage, was an sich ja nett ist, aber sinnlos für die meisten Systeme heute. Warum gibt es keine Flatpak? Das wäre für fast alle Distros das Richtige. Workarounds gibt es, garantieren aber weder Erfolg noch sind diese besonders zugänglich… Shotcut lief dafür gleich und ohne Probleme. Aber es ist halt Shotcut, und User-Freundlichkeit ist da wiedermal nicht die Stärke.

Eigenartig war auch, dass die Fotos App meine Fotos auch nachdem ich alle in den Bildner Ordner kopiert habe, nicht angezeigt werden. Auch wenn das direkt angezeigt wird in der leeren App.

Desktop

Wie bereits erwähnt wurde “Dash to Dock” und “AppIndicator and KStatusNotifierItem Support” als Erweiterungen installiert, da das Gecklicke und gefühlt ständige meterweite Fahren mit der Maus auf einem großen Display wiederum sehr anstrengen und nervig ist. Das ist aber wie immer GNOME, nicht Systemspezifisch von Vanilla OS.

Ansonsten gibts auch hier wenig zu meckern, denn es geht einfach. Und ist auch ganz gut zu verwenden, wenn man die paar Eigenheiten drauf hat.

Das Dock erleichter das Leben doch sehr, da man damit einfach schneller und Übersichtlicher arbeiten kann

Arbeitet man mit “Dash to Dock”, kann man übrigens auch in den Einstellungen der Erweiterung unter “Verhalten” die “Klick-Action – > Minimieren” aktivieren und dann kann man zumindest über das Dock Anwendungen Userfreundlich minimieren. Ja, es geht auch Super/Windows + H, aber ja, welcher normale User weiß das schon. Und hat immer eine Hand bereit an der Tastatur.

Windows-Apps

Auch die meisten EXE Dateien ließen sich öffnen, in dem Fall mithilfe von Bottles und den Voreinstellungen für normale Windows-Programme. Also kann man auch diverse Windows Programme einfach öffnen.

Games

Steam, mein alter Freund, war gleich installiert und mit einigen kopierten Spielen wurde auch hier der Versuch gestartet, ein paar Stunden der Realität zu entfliehen.

Und ja: Anno 1404 HE, Anno 1800, Timberborn, Cities Skylines, Pizza Connection 3, Platet Zoo, Surviving Mars und Transport Fever 2 wurden zumindest erfolgreich gestartet. Tropico 6 verweigerte den Dienst. Immerhin nur eine iGPU des AMD 7840HS, aber schon sehr brauchbar mittlerweile.

Test meiner eher "schwach-brüstigen" Sammlung am Mini-PC

Conclusio

Was soll man sagen? Ich mag das System. Warum? Warum nicht?

Einerseits ist auf jeden Fall der Fakt des “unveränderlichen Systems” ein Großer, der im Raum steht. Das ist aufwändig und kompliziert und der User bekommt davon herrlich wenig mit. So sollte das womöglich auch sein. Da befinden wir uns über dem Niveau von Windows, Android und macOS. Alles passiert im Hintergrund, alles funktioniert oder springt sonst auf den letzten Stand zurück, falls mal ein Update doch nicht funktioniert hat. Der User hat im Update-System nix mehr zu melden oder zu tun. Gut eigentlich, auch wenn man irgendwo Kontrolle abgibt. Aber die hat der normale User sowieso nie gehabt, außer, um etwas kaputtzumachen.

Also wie gesagt: Wunderbar problemlos!

Mein System mit Dock unten und Icons rechts oben

Dann gibt es natürlich die Aber:

Benachrichtigungen kommen ständig wegen jedem Blödsinn und gehen nicht nach einer Zeit. Das betrifft vor allem Datenoperationen oder einfach neue Lieder aus dem Internetradio. Nervig.

Zum Installieren braucht man Hilfe und Verschlüsselungen sind nur mit Eingabe des Passwortes beim Systemstart möglich. Nervig.

Das Aber des Aber ist: Das Meiste betrifft nicht direkt Vanilla OS, sondern GNOME usw. Und das System hat mich schon etwas begeistert, weil es ebenso wenig von mir will. Und das gerade mal in der zweiten (!!) Version. Das Team hat bisher eine super Arbeit geleistet.

Also für mich nicht nur ein interessantes System, sondern vielleicht wirklich wie auf der Website beworben: “Vanilla OS is your next Operating System.”

Ich bleibe vorerst mal dabei.

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