Im Bereich Gaming unter Linux hat sich in den letzten Jahren enorm viel getan. Valve hat mit dem Steam Deck quasi eine eigene Kategorie geschaffen – eine, von der man vorher gar nicht wusste, dass sie fehlt. Und im Fahrwasser dieses Erfolgs entstehen nun immer mehr Projekte, die auf dieser Basis aufbauen und das Konzept weiterdenken.
Eines davon ist Bazzite, eine Linux-Distribution, die auf Fedora Silverblue basiert, sich aber deutlich stärker an die Bedürfnisse von Spieler:innen orientiert – und dabei ein eigenes „Look & Feel“ mitbringt, sowie einen angepassten Linux-Kernel.
Das Ziel in diesem Test ist ambitioniert: Windows 11 beim Spielen ersetzen.
Doch die große Frage lautet: Geht das wirklich?
Gleich vorweg: Nichts für absolute Neulinge!
Bazzite will zwar vieles vereinfachen, aber wer sich noch nie mit Linux beschäftigt hat, sollte lieber etwas Einarbeitung einplanen.
Getestet wurde Bazzite 42 im Oktober 2025 auf einem MinisForum G7 Pt mit AMD 7945HX und Radeon 7600M. Angeschlossen waren ein 32-Zoll-4K-Samsung-Monitor, Maus, Tastatur und ein über USB verbundener DAC-Lautsprecher am Monitor.
Die Herausforderung war klar: Windows 11 ersetzen, ohne es gleich komplett zu löschen.
Da der Mini-PC glücklicherweise zwei SSD-Slots besitzt, ließ sich das recht elegant lösen:
Eine 2-TB-SSD für Spieldaten, eine zweite für das Betriebssystem.
Der Aufwand war allerdings nicht ohne. Zuerst mussten Unmengen an Daten verschoben werden – Steam-Bibliotheken kopieren, Windows-Partition verkleinern, danach auf eine andere SSD klonen. Am Ende passte das Windows-System auf eine 500-GB-SSD, wodurch die bisherige Haupt-SSD frei wurde: 1 TB Platz für Bazzite.
Die eigentliche Installation verlief erstaunlich reibungslos. Der Installer wirkt vertraut – wer schon einmal Fedora oder Silverblue installiert hat, findet sich schnell zurecht.
Bazzite nutzt eine angepasste Version des Fedora-Installers, die noch nicht völlig selbsterklärend ist, aber klar strukturiert. In der kommenden Version soll der neue Fedora-Installer das Ganze nochmals vereinfachen.
Trotzdem gilt: Etwas Linux-Erfahrung hilft.
Ganz ohne Grundwissen über Partitionen oder Boot-Optionen sollte man sich hier nicht ranwagen. Wer aber weiß, was er tut, hat das System in wenigen Minuten aufgesetzt. Nach dem ersten Start landet man direkt auf dem frischen Desktop – erst danach habe ich die zweite SSD wieder eingebaut, um Daten und Spiele zu übernehmen. Dachte ich zumindest.
Alles in allem eine Installation, die deutlich schneller geht, als man denkt – solange man vorbereitet ist. Für den typischen Gamer, der ein bisschen technisches Verständnis mitbringt, absolut machbar.
Gleich nach dem ersten Boot war ich ehrlich gesagt überrascht, wie viel Bazzite schon ab Werk mitbringt.
Hier startet kein pures GNOME, sondern eine fein abgestimmte Variante mit sinnvollen Erweiterungen, die viele der typischen Schwächen von GNOME direkt ausgleichen.
Das merkt man schon beim ersten Mausbewegung: Fährt man den Zeiger nach unten, öffnet sich ein Dock mit den Favoriten-Apps – ganz ohne Umwege über die linke obere Ecke, wie es GNOME normalerweise verlangt. Eine kleine Änderung, aber eine, die sich sofort richtig anfühlt. Ehrlich gesagt fragt man sich da, warum GNOME das nicht schon längst so gelöst hat – es wirkt natürlicher, direkter, einfach logischer.
Oben links prangt dafür das Bazzite-Logo, das mehr als nur Zierde ist: Dahinter verstecken sich einige nützliche Werkzeuge – etwa der Systemmonitor, das Update-Tool und ein paar praktische Shortcuts. Damit bekommt man schnellen Zugriff auf die wichtigsten Funktionen, ohne sich durch Menüs klicken zu müssen. Und etwas Branding schadet wohl auch nicht.
Insgesamt wirkt der Desktop aufgeräumt, modern und schnörkellos.
Besonders angenehm: Bazzite aktiviert standardmäßig einige sinnvolle Erweiterungen, darunter auch eine Tiling-Extension, mit der sich Fenster bequem und präzise auf dem Bildschirm anordnen lassen – halb, viertel oder in frei definierten Layouts. Ideal für große Displays, wie meinen 32-Zoll-4K-Monitor.
Der generelle Fokus liegt – typisch GNOME – wieder stark auf den Inhalten selbst. Alles, was ablenkt, wird dezent ausgeblendet. Das Dash verschwindet, wenn man es nicht braucht, und lässt sich per Mausbewegung schnell wieder einblenden.
Ein kleiner Wermutstropfen zeigt sich aber gerade bei hohen Auflösungen:
Auf dem 4K-Monitor sorgt das ständige „Nach-unten-Fahren“ zum Öffnen des Docks dafür, dass alle offenen Fenster aufgelistet und eingeblendet werden. Das sieht zwar schick aus, ist aber auf Dauer etwas anstrengend – vor allem, wenn man viele Fenster offen hat und den Dock häufig aufruft. Man verliert leicht den Fokus, weil die gesamte Fensterlandschaft in Bewegung gerät. Da für Gaming und Gaming ist meistens ein Spiel in Vollbild: Verkraftbar.
Trotzdem: Der Gesamteindruck ist sehr positiv.
Bazzite fühlt sich nicht wie ein Bastelprojekt an, sondern wie ein durchdachtes, modernes Desktop-System, das auf Leistung und Alltagstauglichkeit ausgelegt ist – nur eben mit einem klaren Fokus auf Gaming.
Optisch bleibt Bazzite sehr nah an GNOME – was grundsätzlich nichts Schlechtes ist. Man merkt aber, dass die Entwickler:innen ein gutes Auge dafür hatten, wo sie minimal nachjustieren können, um das Erlebnis etwas frischer wirken zu lassen. Kein komplett eigener Stil, kein überladenes Theme – eher ein behutsames „GNOME, aber schöner“.
Besonders positiv fällt auf, dass Bazzite von Haus aus ein paar Erweiterungen aktiviert, die das Gesamterscheinungsbild modernisieren. Allen voran „Blur my Shell“, das die üblichen grauen Flächen mit einem angenehmen Unschärfe-Effekt ersetzt. Das wirkt gleich hochwertiger, etwas näher an macOS, ohne kitschig zu sein. „Just Perfection“ sorgt zusätzlich für kleinere Feineinstellungen im Verhalten und Aussehen der Oberfläche – etwa bei Animationen, Sichtbarkeit von UI-Elementen oder Übergängen.
Das Gesamtbild wirkt dadurch durchdacht und aufgeräumt, ohne die GNOME-Philosophie zu verraten. Kein Versuch, das Rad neu zu erfinden, sondern das bestehende System einfach etwas ästhetischer zu gestalten. Auch Icons, Farben und Schriften passen gut zueinander und ergeben ein harmonisches Gesamtbild.
Man merkt, dass hier Wert auf ein modernes, aber unaufdringliches Erscheinungsbild gelegt wurde – also nichts, was gleich „Gaming!“ schreit, sondern eher: „Das kann auch produktiv sein.“ Für Spieler:innen, die Wert auf Design legen, ist das eine angenehme Überraschung, da viele Gaming-Distributionen sonst optisch eher zweckmäßig wirken.
Bazzite kommt mit einer interessanten Mischung an vorinstallierten Anwendungen daher. Man merkt sofort, dass der Fokus klar auf Spielen und Multimedia liegt, aber das System trotzdem nicht auf reine Zocker:innen reduziert werden will.
Von Haus aus dabei sind die üblichen GNOME-Klassiker wie Files, Software, Settings, Terminal und so weiter – aber ergänzt um Tools, die man als Spieler:in wirklich braucht. Steam ist natürlich fix fertig integriert (und startet ungefragt immer im Hintergrund), ebenso Lutris und Protontricks, womit sich auch Nicht-Steam-Spiele oder ältere Titel starten lassen. Das ist schon ein deutlicher Vorteil gegenüber einer frischen Fedora- oder Ubuntu-Installation, wo man das alles erst nachrüsten müsste.
Darüber hinaus habe ich aber bei den Standard-Apps Hand angelegt: Statt der eher altbackenen GNOME-Varianten für PDFs oder Musik habe ich die modernere (auch von GNOME) Alternativen installiert. Auch Flatpak-Unterstützung ist selbstverständlich mit dabei, was die Installation weiterer Apps über Flathub zum Kinderspiel macht. Bazzar als Softwarecenter ist überraschend schnell und macht seine Sache sehr gut – da darf GNOME sich auch was abschneiden, wo man ständig auf den Ladebildschirm starren darf. Respekt!
Spannend ist auch, dass viele Spiele-spezifische Pakete schon so vorkonfiguriert sind, dass sie „einfach funktionieren“. Kein ewiges Nachinstallieren von Wine, keine Treiberhölle und ständige Updates, kein Herumprobieren mit Bibliotheken. Man merkt hier deutlich: Das System ist für Gaming gedacht, aber auch für Alltag geeignet.
Natürlich könnte man sich wünschen, dass noch ein paar kleine Tools wie OBS Studio oder HandBrake vorinstalliert wären – aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Die Basis stimmt, und wer schon einmal versucht hat, auf einer normalen Distribution alles selbst zusammenzustellen, weiß, wie viel Zeit man sich hier spart.
Im täglichen Gebrauch gibt es grundsätzlich wenig auszusetzen.
Das System läuft schnell, reagiert direkt und fühlt sich insgesamt stabil an. Trotzdem bin ich gleich zu Beginn auf ein paar unverhandelbare Probleme gestoßen – allen voran das Thema Standby.
Sobald der Rechner in den Ruhezustand wechselte, wachte er nämlich sofort wieder auf. Und zwar jedes Mal. Nach etwas Recherche – mit Unterstützung von ChatGPT – konnte ich das Problem immerhin eingrenzen: Der Übeltäter war der Samsung 4K-Monitor, der über USB-C angeschlossen war und gleichzeitig Maus und Tastatur mitversorgte.
Die Lösung war dann typisch Linux: ein kleines Skript anlegen, um das betreffende Gerät beim Standby zu ignorieren. Seitdem schläft der PC tatsächlich brav – allerdings lässt er sich dadurch nicht mehr per Tastatur aufwecken. Ist zwar nicht ideal, aber ein akzeptabler Kompromiss. Gleichzeitig zeigt es gut, warum Linux für manche Setups noch immer Stolpersteine bereithält. Auch wenn nicht unbedingt selbst verschuldet.
Noch ärgerlicher wurde es, als plötzlich auch die USB-DAC-Lautsprecher nicht mehr funktionierten – ebenfalls über den Monitor verbunden.
Nach einer kurzen Fehlersuche stellte sich heraus, dass das integrierte USB-Hub des Monitors offenbar zickte. Die Ursache war allerdings unerwartet banal: das Kabel.
Ich hatte ein günstiges weißes USB-Kabel von IKEA verwendet, weil es optisch zum Setup passte – allerdings offenbar auf Kosten der Signalqualität. Mit einem hochwertigeren (leider grauen, wieder IKEA) Kabel war das Problem sofort behoben. Also ja: manchmal hängt Linux-Stabilität an einem 3 Euro Stück.
Abseits solcher Eigenheiten läuft Bazzite im Alltag erstaunlich rund.
Updates lassen sich schnell über das Bazzite-Logo links oben und dort „System Update“ erledigen, was zwar eine einfache Terminal-App (oder Skript) ist, aber auch Flatpak und sogar Firmware updated. Wer das alle paar Wochen macht, ist stets im grünen Bereich.
Ein Backup-System mit Déjà Dup war schnell eingerichtet – inklusive Verschlüsselung auf eine externe Festplatte. Damit ist man im Ernstfall auch bei Rolling-Releases wie Bazzite gut abgesichert.
Im täglichen Arbeiten machen sich kleine Details positiv bemerkbar:
Die Erweiterung, die das Öffnen des Docks durch eine Mausbewegung nach unten erlaubt, macht GNOME deutlich schneller und intuitiver. Auch die System-Icons oben rechts – etwa für Hintergrundprogramme – sind weiterhin nützlich und sorgen für eine gute Übersicht.
Das integrierte Tiling-System ist flexibel konfigurierbar und erlaubt ein individuelles Fensterlayout. Ich selbst nutze meist ein klassisches 50/50-Split, aber wer mehr Ordnung auf seinem Bildschirm mag, kann hier richtig kreativ werden. Besonders sehr breite Monitore sind damit viel besser nutzbar – Hyprland lässt grüßen.
Kleine Schwächen gibt es natürlich auch: Screenshots funktionieren nicht mit der dedizierten Taste meiner Logitech-Tastatur – ein Detail, das unter Windows selbstverständlich ist, hier aber Anpassung bräuchte.
Abgesehen davon ist Bazzite im Alltag gut bedienbar, übersichtlich und voll ausgestattet. Alles, was man braucht, ist bereits vorinstalliert oder lässt sich schnell über den integrierten Bazzar-Store nachrüsten.
Natürlich tauchen hier und da noch kleinere Probleme auf – aber das ist bei einer jungen, dynamischen Distribution fast zu erwarten und auch bei den großen Brüdern und Schwestern aufgrund der selben Basis auch ähnlich oder gleich.
Wie zu erwarten war, funktioniert bei Multimedia – also Musik, Bildern und Videos – alles soweit wie gewohnt und gut. Wenn es ums reine Konsumieren geht, gibt es keine Überraschungen: abspielen, anschauen, anhören, fertig. Auch die typischen Kandidaten wie Gapless (lokale Daten) und Shortwave (Online-Radio) waren schnell installiert und laufen ohne Probleme.
Der Standard-Musikplayer ist allerdings eher ein Videoplayer, was etwas seltsam wirkt, wenn man eigentlich nur ein Album hören möchte. Mit VLC wollte ich das diesmal nicht lösen – das fühlt sich einfach zu altbacken an. Stattdessen habe ich den neuen GNOME Audioplayer installiert, und der macht seinen Job perfekt: schlicht, aufgeräumt, modern. Schnell als Standard eingestellt, und schon passt das Setup.
Für die Videowiedergabe gibt es zusätzlich Clapper, der sich als eine modernere, etwas umfangreichere Version des GNOME-Videoplayers präsentiert. Oberfläche und Bedienung sind angenehm reduziert, Spulen und Steuerung reagieren direkt, und auch mit 4K-Material kommt er problemlos klar. Damit lassen sich Filme und Clips einfach genießen, ohne groß an den Einstellungen herumzuschrauben.
Das eigentliche Highlight kam aber unerwartet: DaVinci Resolve.
Zum ersten Mal überhaupt habe ich es geschafft, dieses Programm unter Linux zu installieren – und zwar ohne komplizierte Umwege. Nicht etwa, weil Blackmagic plötzlich ein Flatpak anbietet (das wäre ja zu einfach), sondern weil man in Bazzite einfach die ZIP-Datei in den Download-Ordner legt, im Terminal eingibt:
ujust install-resolve
Und – tatsächlich – es startet. Es lädt sogar meine Projekte.
Natürlich gibt es einen Haken: H.264 wird nicht unterstützt, also im Prinzip jedes Video das man hat. Für gewöhnlich verwende ich HandBrake, um Videos zu konvertieren, aber hier braucht man eben ein Format, das Resolve auch wirklich zum Arbeiten versteht. Mit etwas Kreativität lässt sich das lösen – ich habe meine Dateien mit ffmpeg in ProRes umgewandelt. Das braucht je nach Einstellung mehr Speicherplatz oder leicht geringere Qualität, aber dafür funktioniert es – reibungslos.
Und ja: Mein Projekt ließ sich laden und lief flüssig. Nicht ganz ohne Aufwand, aber absolut machbar. Eine nette Abwechslung – und irgendwo auch ein kleiner Triumph. Wenn eine Firma wie Blackmagic schon keine Flatpaks liefern will, ist es immerhin schön zu sehen, dass die Community und Distributionen wie Bazzite Wege finden, es trotzdem möglich zu machen.
Insgesamt läuft Multimedia unter Bazzite so, wie man es sich wünscht: zuverlässig, modern und ohne Bastelgefühl. Alles, was man zum Musik-, Video- oder Radiogenuss braucht, ist da oder in Sekunden über den Bazzar-Store installiert. Und wenn sogar DaVinci Resolve startet, kann man eigentlich nur zufrieden sein. Und zugegeben war das wirklich noch ein Hinderungsgrund, um bei Windows zu bleiben. Und welche Ausrede habe ich jetzt noch?
Mit GNOME komme ich grundsätzlich gut zurecht – zumindest, wenn ich mir ein paar Dinge anpasse. Doch diesmal war das etwas anders als am kleinen Laptop:
Am großen 32-Zoll-4K-Monitor wirkt GNOME plötzlich überladen. Zu viele Animationen, zu weite Mauswege, zu viel Bewegung auf dem Bildschirm. Kurz: Zu viel von allem.
Nach ein paar Tagen Herumprobieren habe ich mich daher entschieden, das System etwas zu zähmen. Die Lösung war einfach und effektiv: Dash to Panel.
Diese Erweiterung bringt die Leiste nach unten, kombiniert App-Starter, offene Fenster und System-Tray zu einem klaren, einheitlichen Panel – ganz im Stil von Windows (jaja ich weiß…).
Klingt vielleicht nach einem Rückschritt, aber in der Praxis ist es das Gegenteil:
Man muss die Augen nicht ständig über den ganzen Bildschirm wandern lassen, um Uhrzeit, App-Symbole und Fenster zu erreichen. Alles ist zentralisiert, ergonomischer und schlicht angenehmer für den Kopf.
Es ist vielleicht nicht das, was GNOME-Purist:innen wollen – aber es funktioniert einfach.
Natürlich bleibt das auch eine Frage des Geschmacks.
Manche lieben die minimalistische Philosophie von GNOME, andere – wie ich – brauchen ein bisschen mehr Struktur. Das Schöne an Bazzite ist: Man kann beides haben.
Die Erweiterungen sind direkt im System verfügbar, leicht zu aktivieren und ändern das Nutzererlebnis sofort spürbar.
Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Erweiterungen hängen oft von einzelnen Entwickler:innen ab. Wenn diese irgendwann keine Lust oder Zeit mehr haben, Updates anzupassen, steht man im schlimmsten Fall mit einem nicht mehr funktionierenden Desktop da.
Deshalb sehe ich solche Anpassungen immer mit einem gewissen Vorbehalt – sie machen das System besser, aber auch etwas abhängiger von Freiwilligen.
Trotzdem: Mit Dash to Panel und ein paar Feineinstellungen fühlt sich Bazzite im Alltag auch am großen Monitor besser an. Auch wenn ich mich dann erwischt habe, dass ich die typische GNOME Ausrichtung am oberen Bildschirmrand vermisst habe und wieder zurückgestellt habe. Man kann ja bisschen hin und her wechseln.
Man merkt, wie flexibel Linux sein kann – und wie schnell man eine Oberfläche komplett verändern kann, ohne das System darunter anzutasten.
Das Thema Windows-Apps ist unter Linux traditionell so eine Sache – und Bazzite bildet da keine Ausnahme.
Zwar wirkt es auf den ersten Blick so, als könnte man einfach eine .exe-Datei doppelklicken und loslegen, doch ganz so einfach ist es natürlich nicht.
Versucht man, ein Windows-Programm direkt zu starten, fragt Bazzite zunächst, ob man es einem bestimmten Spiel zuordnen möchte. Hier merkt man schnell: Das System ist klar auf Gaming ausgelegt – viele der vordefinierten Startumgebungen sind für bekannte Spiele optimiert. Für klassische Windows-Apps bringt das allerdings wenig.
Die Lösung heißt hier, wie so oft: Bottles.
Diese App funktioniert im Grunde wie ein kleiner Windows-Container – man erstellt eine sogenannte Bottle, wählt eine passende Konfiguration aus (z. B. „Gaming“ oder „Application“) und kann darin dann seine Windows-Programme installieren.
Das Ganze basiert auf Wine, aber mit einer deutlich einfacheren Oberfläche und Voreinstellungen, die einem viel Gefrickel ersparen.
In meinem Fall war das schnell eingerichtet: Bottle erstellt, .exe geöffnet, fertig.
Und siehe da – es läuft. Nicht alles perfekt, aber stabil genug, um viele typische Windows-Programme problemlos zu nutzen. Gerade kleinere Tools oder ältere Software funktionieren oft erstaunlich gut – was oft für Umsteiger schon ausreicht.
Natürlich gilt: Nicht jede App wird funktionieren.
Komplexere Programme mit tiefen Systemanforderungen oder proprietären Schnittstellen (etwa Adobe-Produkte oder spezielle Anticheat-Mechanismen bei Spielen) bleiben ein Thema für sich.
Aber das liegt weniger an Bazzite, sondern an den grundlegenden Grenzen von Wine und den fehlenden Linux-Versionen der Hersteller.
Trotzdem ist es beeindruckend, wie weit man inzwischen kommt, ohne ein vollwertiges Windows-System zu benötigen.
Man darf hier nur keine falschen Erwartungen haben: Bazzite will kein „Windows-Ersatz für Bürosoftware“ sein, sondern ein Gaming-zentriertes Linux, das zufällig auch noch viele Windows-Programme ausführen kann. Und genau das tut es erstaunlich zuverlässig.
Wenn ein System sich selbst als Gaming-Distribution versteht, ist klar, dass es hier liefern muss – und Bazzite tut das auch.
Schon beim ersten Start merkt man, dass alles darauf ausgelegt ist, sofort loszulegen: Steam ist vorinstalliert, Proton ist aktiviert, und die nötigen Gaming-Bibliotheken sind alle an Bord.
Aber natürlich wäre es kein Linux-Test ohne die kleinen Eigenheiten am Anfang.
In meinem Fall waren das zwei Dinge: NTFS und Skalierung.
Ich wollte meine bestehenden Spieldaten mit Windows teilen – also einfach die Windows-SSD mit der Steam-Bibliothek unter Linux einbinden. Klingt logisch, oder?
Leider nein. Die Spiele starteten schlicht nicht. Manche öffneten sich kurz, manche gar nicht, andere verabschiedeten sich kommentarlos. Nach kurzer Recherche war klar: NTFS als gemeinsames Spielelaufwerk funktioniert nicht zuverlässig.
Die bessere Lösung ist eine eigene Partition im Linux-Dateisystem – etwas mehr Aufwand und wieder hunderte Gigabyte zum kopieren, aber dafür ohne Probleme.
Das zweite Thema war die Skalierung.
Da auf einem 32-Zoll-4K-Monitor vieles recht klein wirkt, hatte ich die Oberfläche auf 125 % eingestellt – was im Desktop auch gut aussieht.
Allerdings gibt Bazzite diese Einstellung direkt an die Spiele weiter.
Das Ergebnis: Titel starteten in einer Art „vergrößerter 4K-Auflösung“, also 125 % von 4K. Kein Witz. Und natürlich ließ sich das in den Spielen selbst nicht korrigieren. Erst das Deaktivieren der Skalierung löste das Problem.
Also: Einmal merken – bei Spielen lieber keine Skalierung verwenden. Zumindest nicht in GNOME.
Nachdem diese Stolpersteine aus dem Weg waren, konnte das eigentliche Testen beginnen.
Ich habe querbeet eine ganze Reihe von Spielen ausprobiert – von älteren Klassikern bis zu neueren Titeln. Ohne spezielle Startoptionen, einfach „Installieren“ und „Spielen“. Und das Ergebnis war durchgehend beeindruckend.
RoboCop: Rogue City: Ja.
Timberborn: Ja.
CitiesSkylines 1: Ja.
CitiesSkylines 2: Ja, keine Probleme, beim zweiten Versuch. Bis auf die Probleme, die das Spiel sowieso nach wie vor hat…
Anno 1800: Ja, sogar mit DirectX 12 und AMD Super Resolution.
Anno 1404 HE: Ja.
Jurassic World Evolution 2: Ja.
Manor Lords: Ja.
Pizza Connection 3: Ja.
Planet Zoo: Ja.
Counter Strike 2: Ja.
Istruments of Destruction: Ja.
FLATOUT: Ultimate Carnage: Ja.
Tropico 6: Ja.
Tiny Glade: Ja.
Battlefield 1: Revolution: Nein. Anticheat…
Evil Genius 2: Ja.
Rise of the Tomb Raider: Ja.
Insgesamt also eine erstaunlich hohe Trefferquote.
Selbst grafikintensive Titel liefen flüssig, und das System blieb stabil – kein Absturz, kein unerklärliches Einfrieren. Nur bei manchen Spielen fiel auf, dass Steam nach dem Beenden komplett geschlossen bzw. minimiert wurde. Eine Kleinigkeit, aber auf Dauer etwas nervig.
Das leidige Thema Anticheat bleibt natürlich unter Linux bestehen.
Viele Multiplayer-Titel mit proprietären Schutzmechanismen verweigern weiterhin den Start, solange sie nicht offiziell Proton-kompatibel sind. Aber der Trend zeigt klar nach oben – immer mehr Studios aktivieren Linux-Support, und Projekte wie ProtonDB dokumentieren das gut (protondb.com).
Ein weiteres Thema, das sich als nerviger herausstellte, war die Synchronisierung von Spielständen. Einige Titel übernehmen die Cloud-Saves problemlos, andere tun so, als hätte man noch nie was gespeichert.
Bei RoboCop und Anno 1800 war das kein Problem, Rise of the Tomb Raider dagegen wollte die alten Spielstände einfach nicht laden – trotz manuellem Kopieren aus dem Windows-Ordner (Tipp: in GNOME-Dateien Strg + H drücken, um versteckte Ordner einzublenden).
Warum das so ist? Meist, weil die Speicherorte oder Cloud-Systeme zwischen Windows und Linux leicht variieren. Ärgerlich, aber leider Realität.
Performance-seitig gibt’s wenig zu meckern.
Proton und die Vulkan-Implementierung leisten ganze Arbeit, die Ladezeiten sind vergleichbar mit Windows, und in manchen Fällen starten Spiele sogar schneller.
Auch nett: Steam startet standardmäßig beim Login – für manche vielleicht nervig, für mich aber einfach praktisch.
Kurz gesagt: Ich bin beeindruckt.
Fast alles, was ich ausprobiert habe, läuft – und das ohne komplizierte Anpassungen, Startparameter oder Bastellösungen.
Klar, Anticheat bleibt ein Thema, und NTFS sollte man meiden, aber das sind bekannte Grenzen, keine Überraschungen.
Für meine persönliche Nutzung kann ich sagen:
Ja, Bazzite ersetzt Windows 11 beim Spielen – fast ohne Wenn und Aber.
Zumindest, solange man keine sehr spezifischen Multiplayer-Spiele mit restriktiven Anti-Cheat-Systemen braucht.
Wer einfach nur spielen will, bekommt hier ein System, das „einfach läuft“.
Kommen wir also zur entscheidenden Frage:
Kann Bazzite Windows 11 beim Spielen ersetzen?
Für mich persönlich: Ja. Absolut.
Ich spiele keine Titel, die unter Linux gar nicht laufen würden – und alles, was ich getestet habe, funktioniert erstaunlich stabil und performant.
Die Zeiten, in denen man sich mit Terminal-Befehlen und endlosen Forenbeiträgen herumschlagen musste, sind vorbei. Bazzite zeigt, dass Linux inzwischen nicht mehr nur „auch Gaming kann“, sondern dafür gemacht sein kann.
Durch Steam, Proton und (zu meiner Überraschung) sogar DaVinci Resolve habe ich alles an Bord, was ich regelmäßig nutze. Die üblichen Desktop-Kandidaten – Chrome, Thunderbird, LibreOffice – sind ohnehin dabei, und durch Flatpak oder den integrierten Bazzar-Store ist Nachrüsten kein Problem.
Natürlich läuft nicht alles perfekt:
Ein paar Kleinigkeiten wie Standby, USB-Probleme oder Screenshot-Tasten zeigen, dass Linux immer noch eine gewisse Bastelmentalität voraussetzt. Aber es ist keine frustrierende, sondern eher eine „interessante“ Bastelarbeit – eine, bei der man etwas lernt und das Gefühl hat, das System wirklich zu verstehen.
Das System selbst wirkt schnell, stabil und technisch auf dem neuesten Stand. Die Update-Mechanik läuft zuverlässig, auch wenn die Datenmengen größer sind, als man es vielleicht gewohnt ist. Dafür gibt’s ein klar reproduzierbares Ergebnis: Ein System, das einfach funktioniert. Und wenn nach einem Update mal nicht, kann man auf den letzten Status zurückgehen und das System geht dann wie gehabt. Doch gut, oder?
Langfristig bleibt spannend, wie gut sich Bazzite mit größeren Fedora-Upgrades schlägt – gerade, wenn man so viele GNOME-Erweiterungen nutzt.
Doch schon jetzt lässt sich sagen: Der Weg ist richtig.
Man hat hier nicht einfach Fedora genommen und ein paar Spielepakete draufgelegt, sondern ein durchdachtes System geschaffen, das Gaming ernst nimmt, aber trotzdem ein vollständiger Desktop bleibt. Vom Desktop, bis hin zum eigenen Kernel!
Und das vielleicht schönste Fazit nach ein paar Wochen Nutzung: Wenn man sich einmal an die Bedienung gewöhnt hat, fragt man sich wirklich: „Wozu noch Windows?“
Wer Bazzite testet, sollte unbedingt eine eigene SSD oder Partition verwenden – Dual-Boot ist möglich, aber experimentell.
Empfohlene Erweiterungen:
-Dash to Panel (klassisches Panel unten)
-Blur My Shell (transparente GNOME-Oberfläche)
-Just Perfection (Feinsteuerung für UI-Details)
Bazzite-Website: https://bazzite.gg
Offizielle Seite mit Downloads, Dokumentation und Community-Links.
ProtonDB: https://www.protondb.com
Community-Datenbank zur Linux-Kompatibilität von Spielen.